Was zählt ein Handschlag?

«Pacta sunt servanda» – Verträge sind zu halten. Gehören Sie zur alten Schule, die sich an diesen Grundsatz hält? Doch wer besiegelt einen Vertrag heute nur mit einem Handschlag? Kann man sich überhaupt auf so einen «lockeren Deal» verlassen, oder ist es schon fast fahrlässig?

Wussten Sie, dass es bereits in der Antike Darstellungen eines Handschlags gibt? Sie zeigen kleinasiatische Herrscher in vorchristlicher Zeit beim Handschlag mit Göttern, oder römische Ehegatten auf Grabmälern. Auch auf antiken Münzen zeigt der Handschlag der Herrscher zum Beispiel die Verbundenheit zweier Städte.

Was zählt ein Handschlag? Seine Symbolkraft ist hoch
Was zählt ein Handschlag? Seine Symbolkraft ist hoch

Ein Handschlag gilt nicht nur als Begrüßung oder Symbol der Verbundenheit – er ist vor allem auch die Siegelung eines mündlichen Vertrags. Dies geht auf die Römer zurück: Das lateinische pro-mittere (versprechen) soll auf die Vorstellung des «Vorstreckens» (sich die Hand zum Händedruck geben) zurückgehen.

Auch in der Schweiz hat der Handschlag eine lange Tradition. Früher wurden die meisten Verträge so besiegelt. «Ein Mann, ein Wort», so lautet ein Sprichwort, das bezeugt, wie wichtig es war, sein Wort zu halten.

Gilt ein gegebenes Wort im Obligationenrecht?

Im Obligationenrecht (OR) heisst es in Artikel 1: «Zum Abschluss eines Vertrags ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein.»

Das heisst: Wenn das Gesetz nicht eine besondere Form verlangt (etwa die Schriftform beim Testament oder die öffentliche Beurkundung beim Grundstückskauf), genügt ein Handschlag. Denn diese Gestik zeigt eine Willensäußerung: Wir sind uns einig, das Geschäft ist besiegelt.

Doch wer sich im Freundeskreis ein bisschen umhört und Diskussionen in Foren und Zeitungen verfolgt – längst scheint dies nicht mehr allen klar zu sein.

Kann man Verträge nur mündlich abschließen?

Eigentlich, ja. Doch in der Praxis hat sich längst etwas anderes eingebürgert: Wer auf mündliche Abmachungen nicht etwas Schriftliches folgen lässt, schaut oft ins Leere. Längst scheint es nicht mehr Usus zu sein, sich auf einen Handschlag oder ein mündliches Versprechen zu verlassen.

Dies ist natürlich frustrierend für alle, die sich auf mündliche Verträge verlassen. Wie ist es mit Ihnen? Verlassen Sie sich auch im Geschäftlichen auf mündliche Abmachungen? Oder fühlen Sie sich erst wohl, wenn der Vertrag  «unter Dach und Fach ist»?

Wie sollte man Abmachungen im Team handhaben?

Wenn es ernst wird, ist klar: Wir verlassen uns auf die Worte anderer. Das sollte auch im Büroalltag gelten. Bild: Teamerlebnis Flossbau, Conray.ch
Wenn es ernst wird, ist klar: Wir verlassen uns auf die Worte anderer. Das sollte auch im Büroalltag gelten. Bild: Teamerlebnis Flossbau, Conray.ch

Jeder, der die Verantwortung für Mitarbeiter trägt, weiss: An mein Wort muss ich mich halten. Denn es gibt nichts Frustrierenderes für Angestellte, wenn sie sich nicht auf eine mündliche Zusage verlassen können.

Daher gilt: Wer im Team etwas verspricht und eine Zusage macht, ist daran gebunden. Auch im eigenen Interesse sollte man nicht an Glaubwürdigkeit und Seriosität verlieren.

Leider ist das keine Selbstverständlichkeit. Freundinnen von mir müssen mit Vorgesetzten alles schriftlich machen, weil diese plötzlich wieder vergessen, was sie eine Woche zuvor sagten. Andere sind so frustriert, dass sie sich auch Kleinigkeiten schriftlich absegnen lassen.

Doch es ist klar: Wenn im Team das blosse Wort zählt, schafft dies Vertrauen, Motivation und nicht zuletzt auch Effizienz.

Übrigens:
Der Spruch «pacta sunt servanda» geht anders, als oft angenommen, nicht auf die Römer zurück: Erst im Mittelalter entwickelte die Kanonistik aus religiösen Erwägungen den wichtigen Grundsatz.

 

Janine Wolf-Schindler