Energiepolitik – was wirklich wichtig ist

Am 25. Mai 2011 war ich stolz auf die Schweiz. Ein Schritt in die richtige Richtung – die Schweiz nimmt eine Vorreiterrolle im Atomausstieg ein. Sehr gut.

Dabei bin ich keine militante Gegnerin des Atomstroms. Ich habe sogar grosses Vertrauen in die Schweizer Atomkraftwerke. Doch ich glaube, dass wir es besser können:  Wir müssen neue Möglichkeiten finden, wie auch nachfolgende Generationen auf diesem Planet leben können. An dieser Stelle möchte ich jetzt nichts vom horrenden Stromverbrauch anderer Länder hören (das Standardargument schlechthin gegen einen raschen Ausstieg aus der Kernenergie) – es spricht nichts dagegen, dass neue Lösungen, die in Ländern wie der Schweiz, Österreich und Deutschland entwickelt werden, Lösungen für die ganze Welt werden. Langfristig gedacht natürlich.

Doch das ist einfacher gesagt als getan. Nun hat Frau Widmer-Schlumpf mit ihren Aussagen zur Ökosteuer die Gemüter erhitzt – und die Diskussion wieder in Gang gesetzt. Doch – aufgepasst. Bei der Frage, wie wir unsere Energienachfrage künftig lösen, dürfen wir uns nicht an der Ökosteuer aufhängen. Ich verstehe (auch als konsequente Bahnfahrerin), dass das Auto nicht nur Luxus ist und viele Pendler empfindlich getroffen werden. Das heisst aber nicht, dass wir so weiter machen können wie bisher. Niemand hat gesagt, dass wir bei gleichbleibendem Luxus und Komfort nachhaltig leben können. Eine Aussage wie: Zwei Franken für den Liter Benzin sind genug hilft uns nicht weiter.

Ich gebe zu, manchmal gleicht der Kampf für regenerative Energien einem Kampf Don Quichottes gegen Windmühlen. Aber: eine Patentlösung gibt es nicht. Von diesem Gedanken müssen wir uns verabschieden. Staudammprojekte wie die Grimsel-Staumauer gehen zu Lasten der Umwelt. Solarautos waren eine nette Idee, für die viel Geld ausgegeben worden ist. Biogas wurde viel gefeiert und steht nun hart in der Kritik. Solarenergie steckt auch noch in den Kinderschuhen.

An dieser Stelle einmal allen Unkenrufen zum Trotz (Das wir unseren Stromverbrauch ja doch nicht senken, nach wie vor fleissig Billigflieger benützen, Auto fahren und Lichter brennen lassen): Es wurden vielleicht Fehler gemacht, es hat sich aber auch viel getan. Minergie (nicht nur privat, sondern auch von Schweizer Firmen wie Migros, Credit Suisse und Swiss Re) ist nur ein Schritt in die richtige Richtung. Der aktuelle Newsletter Energeia vom Bundesamt für Energie zeigt Energieprojekte auf, die die Innovation der Schweiz beweisen: Es geht was vorwärts. Ich persönlich finde, dass ein Umdenken stattfindet. In meinem Freundeskreis fahren immer weniger Auto und Carsharing wird gerade von junge Familien genützt – auch wenn Geld für ein eigenes da wäre. Der Wandel, der in den Köpfen der Menschen stattfinden muss, beginnt. Erst wenn wir konsequent nachhaltig denken, haben wir etwas gewonnen. Dafür brauchen wir manchmal auch harte Entscheidungen, wie am 25. Mai 2011.

Niemand hat gesagt, dass es einfach wird. Doch hören wir mit parteipolitischem Gehickhack und kurzfristigem Opportunismus auf. Es geht hier nicht darum, wie hoch der Benzinpreis sein darf. Das mag zwar die Gemüter beim Mittagessen erhitzen – aber seien wir ehrlich. Es geht um mehr. Nachhaltigkeit geht jeden etwas an und ist wichtiger als kurzfristige Ziele. Dementsprechend sollten wir die Diskussion auch vernünftig führen. Ich hoffe, dass ich meinen Enkelkindern in fünfzig Jahren einmal stolz erzählen kann, wie die Schweiz am Anfang des 21. Jahrhunderts die Glocken einer neuen Ära eingeläutet hat. Ich sage ja nicht, dass wir keine Fehler gemacht hätten – aber eben: Am Ende müssen wir es schaffen, unseren Lebensraum zu schützen. Um jeden Preis.

Janine Wolf